Innere Freiheit: Auf was Chefs achten müssen, um mehr Zeit zu haben

Wer sich nicht klonen kann, sollte abgeben (lernen). Schlauer Spruch, doch wie gelingt delegieren? Und wieso macht es keinen Sinn, alles selber zu erledigen. Eine Kombination aus Struktur und Organisation bilden die Basis.

Egal, ob Fahrradmonteur, Fleischer oder Frisör irgendwann kommt fast jeder Chef an den Punkt, nicht mehr alles alleine erledigen zu können und wollen. Doch delegieren oder das einfachere „Aufgaben abgeben“ will gelernt sein, sagt Coach Manuel Marburger. Sonst wird der Job womöglich nicht im Sinne des Abgebers erledigt. Und das kann fatale Folgen haben. Etwa, wenn bei einer Küchenmontage Sockelblenden vergessen werden und der Kunde sich deshalb weigert, die Rechnung vollständig zu bezahlen.

Strukturen schaffen

Oder wie wäre es, wenn der Chef den Auftrag delegiert, ein dringend benötigtes Ersatzteil beim Lieferanten abzuholen und dabei versehentlich den falschen Straßennamen angibt. Alleine im Großraum Stuttgart gibt es diverse „Stuttgarter Straßen“, die kilometerweit in verschiedenen Ortsteilen auseinander liegen. Die Gefahr liegt im also Detail. Deshalb ist es wichtig, Strukturen zu schaffen. „Sie sind die Grundlage dafür, dass Dritte Aufgaben übernehmen können, die ich sonst selber erledige“, betont Marburger, der selbst mehrere Betriebe gegründet und geführt hat – darunter die Kletter-Spezial-Einheit. Als erfahrener Industriekletterer weiß er: In der Höhe muss jeder Handgriff sitzen. Alles muss vorher geregelt und besprochen sein. Deshalb rät er Handwerker: Ablaufpläne, Vorlagen und exakte Arbeitsbeschreibungen zu erstellen. Übertragen in den Alltag des Einzelnen bedeutet das: Wenn der Chef etwas delegieren möchte, muss er dem Gegenüber möglichst gründliche Informationen übergeben – am besten schriftlich. Nur dann sind einzelne Arbeitsschritte auch skalierbar.

Organisation erstellen

Werden Betrieb oder Abteilung größer, ist der nächste Schritt eine Organisation zu schaffen. Um Streit zu unterbinden, beispielsweise über die Verantwortlichkeit einer Maschine oder die Sauberkeit eines Raumes, hilft es, Verantwortlichkeiten zu definieren. Wer klärt, wer am Ende des Tages den Arbeitsplatz aufräumt, die Maschine reinigt oder für das Auffüllen des Lagers zuständig ist, verhindert zeitfressende und (betriebs-)klimaschädlichen Reibereien.

Je feingliedriger diese Pflichten gegliedert sind, desto weniger Nachfragen gibt es. Regelt in einem Betrieb die Organisation nur, wer für das Lager zuständig ist, bleibt unklar, wer mit Lieferanten Preise aushandelt oder welche Mengen ins Lager gelegt werden. „Ein Organisationsplan zwingt Handwerker, diese Schnittstellen zu beleuchten und zu definieren“, verdeutlicht Marburger. Diese Klärungen im Detail wirken sich wiederum auf Strukturen, sprich Arbeitsanweisungen und Vorlagen, aus.

Vorsicht ist vor sogenannten Schatten-Organisationen geboten. Typisches Beispiel ist die Ehefrau eines Betriebsinhabers, die als graue Eminenz das Sagen hat. Üblicherweise auch über Bereiche, die nicht in ihre Kompetenz, wie etwa die Buchhaltung, fallen. Um den häuslichen Frieden nicht zu gefährden, fügt sich der Chef ihren Wünschen. „Für Mitarbeiter kann das ein fatales Signal sein“, erklärt Marburger. Denn hier kultiviere der Inhaber ein Betriebsklima der Intransparenz. Alle wissen es, keiner spricht darüber.

Auch in solchen Fällen schaffe eine öffentliche Organisation, die als Organigramm im Betrieb aushängt, Klarheit.

Zeit gewinnen

Sind also Strukturen und Organisation – etwa in Form eines Handbuchs und eines Organigramms – in der Firma zugänglich, entsteht Transparenz. Die Vorteile liegen auf der Hand: Beides hilft beispielsweise neuen Kollegen, sich schneller zurecht zu finden. Der Chef gewinnt dadurch vor allem mehr Zeit. Das mittlerweile höchste Gut der Ständig-Online-Gesellschaft. Marburger rät diesen Dreiklang auch für E-Mails zu nutzen: Eine Büroassistentin sortiert und priorisiert den Posteingang des Chefs. Natürlich stehen die Filterfaktoren in einer Arbeitsanweisung. Statt ständig online sein zu müssen, gibt es feste Lesezeiten. „Das befreit ungemein“, meint Marburger und lenkt den Blick wieder auf das Kerngeschäft des Chefs.